(url – 7.7.25) Der Grund, warum „Carmen“ ein Skandalstück zu Georges Bizets Zeiten war, hatte viel mit dem damaligen Frauenbild zu tun: brav, zurückhaltend, züchtig. All das war Carmen nicht. Und die Rache des Mannes, den sie verführt hatte, sollte nachvollziehbar erscheinen. Schließlich hatte er alles verloren – wegen ihr, der Femme fatale, die von Don José am Ende erstochen wird.
Die Liedertafel bot, zusammen mit dem SAP- und Konzertchor der Liedertafel sowie mit vielen Solisten Ende Juni im BGH am alten Stadttor im Rosesaal nichts Geringeres, als Auszüge aus der berühmten und wohl auch schönsten Oper, nämlich „Carmen“. Mit dem Einstieg des Liedes der Zigaretten-Arbeiterinnen begann das schon einmal vielversprechend.
Die Besonderheit der Overmann Konzerte ist, dass die Rollen stets mehrfach besetzt sind. So stand für jede einzelne Figur mindestens ein Duett oder mehrere Solisten zur Verfügung. Das gibt den Sängern Sicherheit, denn sie haben ja keine Ausbildung für die Bühne. Sogleich verzückte die doppelte Carmen (Silke Otto und Andrea Waldi) die Zuhörer mit der „Habanera.“ Zusammen mit dem Konzertchor wurde das Publikum wunderbar und klangvoll in die Geschichte der Carmen entführt.
Der schöne Part „Ja die Liebe hat bunte Flügel“ bleibt als Ohrwurm erhalten. Dieser lässt tagelang nicht los. Nun jedoch gab es einen ersten Höhepunkt: das Ballett „Studio Flamenco Bravo“ unter der Leitung von Alejandra Mott trat auf. Die Begleitung mit Gitarre hatte Guido Luft inne. Tänzerisch wurde nun die Geschichte der stolzen Carmen erzählt. Mit unglaublicher Ausdrucksstärke und Intensität wirbelten diese Frauen über die Bühne, obendrein wunderschön anzusehen.
Die Füße flogen nur so über den Bühnenboden. Und ohne Übertreibung: Der stand während dieser tollen „Show“ in Flammen. Weiter ging es mit Sequidilla, dem Zigeunerlied, dem Chor mit dem Auftritt des stolzen Torero u.v.m. Die Mehrfach-Belegung der Sänger zog sich durch bis zum Doppelmord an der doppelten Carmen. Zusammen mit dem Chor ergab sich daraus ein ganz besonderer Klang – denn die Akustik in der Rose ist wenig ermunternd.
Nicht minder beeindruckend war Harald Braun am Flügel, der mit feinem Gespür und dynamischer Bandbreite die Sänger begleitete. Seine Hände flogen nur so über die Tastatur, denn die Musik zu dieser Oper ist eine ganz besondere Herausforderung. Mal schien das Klavier im leisen Gang, der sich unter die Stimmen legte, mal war es ein Feuerwerk, das den Raum mit viel Klang einmal mehr ausfüllte. Alle Darsteller spielten ihre Rollen wunderbar und überzeugend. Dieses Konzert ließ auch der Fantasie viel Raum. Die Gesamtleitung lag in den Händen von H.-J. Overmann, der souverän dirigierte und die Sängerinnen und Sänger zu Höchstleistungen brachte. (ul)